Plagiator? Ignorant!

Wirklich schlimm an der Meldung, dass ein Weltwoche-Journalist ein Plagiat begangen hat, ist die Tatsache, dass solches im Jahr 2015 noch möglich ist: Wo lebt, was und wie liest ein Mann, der sich beruflich mit dem aktuellen und dem vergangenen Weltgeschehen befassen soll, wenn er allen ernstes zu glauben scheint, von jemandem abschreiben und unentdeckt bleiben zu können?

Um ehrlich zu sein, zweifle ich keine Sekunde daran, dass unsere Kolleginnen und Kollegen Auslandskorrespondenten noch vor 20, nein, 15 Jahren das Abschreiben von Artikeln aus den lokalen Zeitungen ihres Aufenthaltsortes als hehre Arbeit gesehen haben.

Bloss: Damals war das Übersetzen und Weitergeben tatsächlich noch ein Mehrwert und die Leserin und der Leser auf den Korrespondenten angewiesen, der die Aufgabe für sie übernahm.

Heute allerdings kann man nicht nur die Zeitung, aus der einer abschreibt, meist online in aller Welt lesen, sondern alle Welt versteht und liest auch längst Englisch, so dass ein Plagiator doch wenigstens eine mündliche Überlieferung auf Suaheli sein Werk nennen möge – was dann wohl sogar im Internetzeitalter wieder den aktuellen Anspruch an das Korrespondentenhandwerk erfüllen dürfte. Oder er soll die Stories doch gleich ganz erfinden und sie entsprechend spannend halten – dann ist zugleich die Entdeckungsgefahr geringer und der literarisch-belletristische Nebenruhm entsprechend höher.

Aber wer heute aus einer britischen Zeitung nicht nur eins zu eins übersetzt, sondern das Vorgehen ernsthaft mit ein paar Umformulierungen zu übertünchen können und unentdeckt zu bleiben glaubt, der müsste nicht wegen des Plagiats (das ja, wie gesagt, vor 20 Jahren noch nicht mal als solches gesehen worden wäre), sondern für seine Ignoranz abgestraft werden.

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